Nordkorea ganz nah - die DMZ
- simonlehnerer
- 18. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Frühmorgens startet der Shuttlebus gen Norden. Das Ziel: die Demilitarisierte Zone, kurz DMZ, an der Grenze zwischen Südkorea und Nordkorea. Ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen in Seoul, liegt sie nur gut eine Stunde von der Hauptstadt entfernt.

Die DMZ ist eines der widersprüchlichsten Gebilde der Welt - ein vier Kilometer breiter und 248 Kilometer langer Streifen, der die verfeindeten Länder seit 1953 trennt. Ironischerweise gilt sie trotz ihres Namens als die am stärksten bewachte Grenze der Erde. Ihr Ursprung liegt im Koreakrieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das zuvor japanisch besetzte Korea entlang des 38. Breitengrades in zwei Einflusszonen geteilt worden: der Norden unter sowjetischem, der Süden unter US-amerikanischem Einfluss. Aus den Provisorien wurden rasch zwei Staaten mit Gegensätzen: im Norden die kommunistische Demokratische Volksrepublik Korea, im Süden die kapitalistische Republik Korea.

1950 marschierte Nordkorea in den Süden ein, was einen dreijährigen Krieg auslöste, in den bald auch die Vereinten Nationen verwickelt waren. Städte wurden zerstört, Millionen Menschen getötet oder vertrieben. Als die Fronten sich festgefahren hatten, einigten sich die Kriegsparteien 1953 auf einen Waffenstillstand – ein offizieller Friedensvertrag kam jedoch nie zustande. Die DMZ wurde geschaffen, um die beiden feindlichen Staaten zu trennen. Auf beiden Seiten liegen schwer befestigte Sperranlagen, Wachtürme und Minenfelder. So viel zur Theorie.
Die Tour startet mit einem Gespräch im Bus. Dabei beantwortet eine ehemalige Nordkoreanerin, die vor rund zwei Jahrzehnten über China und Südostasien geflohen ist, die neugierigen Fragen der Touristen. Sie wirkt gefasst und erzählt von der allgegenwärtigen Propaganda und Indoktrination durch den Staatsapparat, von ihren Töchtern, die beide im Abstand von einigen Jahren vor ihr selbst geflohen waren, und von ihrem Sohn, der es nicht geschafft hat, aufgegriffen und ins Gefängnis gesteckt wurde. Heute ist er wieder frei, steht allerdings unter ständiger Beobachtung.
Die Frau, die aus Angst weder Namen noch Fotos von sich im Internet veröffentlicht sehen möchte, floh mithilfe von Schleusern über China, Laos und Vietnam bis zur südkoreanischen Botschaft. Von dort wurde sie schließlich nach Seoul gebracht. Jede Nordkoreanerin und jeder Nordkoreaner werden nach einer Flucht – wenn sie es wollen – in Südkorea eingebürgert. Dem voraus geht jedoch eine intensive Überprüfung, um auszuschließen, dass sie nur deshalb gekommen sind, um für Nordkorea zu spionieren.

Bei einem kurzen Halt vor der DMZ kann man neben normalen Souvenirs sogar echtes nordkoreanisches Geld erwerben. Laut unseres Guides Han geht das nur hier. Für 22.000 Won (etwa 14 Euro) kaufe ich einen Schein, auf dem der junge Kim Il-sung zu sehen ist. Der erste nordkoreanische Diktator und Großvater von Kim Jong-un regierte von 1948 bis 1994. Weiter geht es in Richtung Grenze. Wir passieren streng bewachte Kontrollposten mit Straßenbarrieren und südkoreanischen Soldaten in Tarnkleidung, mit Sturmhauben und Gewehren im Anschlag.

Schließlich erreichen wir einen großen, umzäunten Parkplatz. Hier besichtigen wir einen von vier Tunneln, die zwischen 1974 und 1990 entdeckt wurden. Nordkorea hatte damals versucht, unter der DMZ nach Südkorea einzudringen. Doch die Pläne wurden gestoppt, die Tunnel versiegelt. Wir steigen hinab und stehen am Ende des dunklen, feuchten Gangs nur 170 Meter von Nordkorea entfernt.

Das zweite Ziel in der Demilitarisierten Zone ist eine Aussichtsplattform. Von dort aus können wir mit Fernrohren hinüber nach Nordkorea schauen. Ich sehe einen Wachturm, die Flaggen der beiden Länder auf hohen Masten und auch eine nordkoreanische Stadt. Die ganze Szenerie wirkt bizarr. Da stehen Deutsche, Belgier, Franzosen, Amerikaner, Spanier oder Briten und starren durch Fernrohre in dieses abgeschottete Land, über das kaum etwas bekannt ist. Es wirkt ein wenig wie im Zoo. Am Ende der Tour fragt der Guide, ob wir Nordkoreaner gesehen haben – so, als wäre das eine unerforschte Spezies. Ein Belgier entgegnet, er habe tatsächlich einen Nordkoreaner auf einem Motorrad gesehen. Das fuhr sehr schnell.

Als wir am späten Nachmittag zurück nach Seoul fahren, hallen die Eindrücke der DMZ noch nach. Die Enge des Tunnels, der Blick über Stacheldraht und Wachtürme in dieses Land, das so fern scheint, die Geschichten über geteilte Familien – all das lässt mich nachdenklich zurück. Es ist schwer zu begreifen, wie nah sich hier Krieg und Frieden, Vergangenheit und Gegenwart berühren. Zugleich fasziniert mich dieser Ort, weil er so viel über die Geschichte und die Gegenwart Koreas erzählt.



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