Geschichten aus der Megacity Tokyo
- simonlehnerer
- vor 13 Minuten
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Tokyo ist auf den ersten Blick wirklich überwältigend. Mit unfassbaren 37 Millionen Einwohnern bildet der Ballungsraum das größte zusammenhängende urbane Netz weltweit. Lichter flackern, Bildschirme blitzen, Menschen eilen durch riesige U-Bahn-Stationen und quetschen sich in völlig überfüllte Züge. Bezeichnend dafür ist die quirlige Kreuzung im Stadtteil Shibuya, bei der zeitgleich alle Fußgängerampeln auf grün schalten und hunderte Menschen über die Straße gehen. Zugleich gibt es diese überraschenden Inseln der Ruhe, wo die Stadt weit weniger hektisch wirkt. Hier gibt es alles. Etwas für jede und jeden.

Einer der ersten Programmpunkte ist das TeamLab Borderless, eine Wunderwelt digitaler Kunst. Raum für Raum entfaltet sich ein kaleidoskopisches Spektakel. Blumen, die in Teetassen aufblühen, Lichtelemente, die Bewegungen folgen, Nebel, der in buntem Scheinwerferlicht zu tanzenden Figuren wird. Im nächsten Raum folgen Spiegelwände oder scheinbar endlose LED-Ketten, die vom Himmel hängen. Hier bekomme ich wirklich das Gefühl, in einer anderen Dimension gelandet zu sein. Sehr sehenswert!
Zurück in der echten Welt verschafft der Stadtwald um den Meiji-Schrein etwas Schatten bei den heißen Temperaturen. Nur das Raunen von Touristengruppen durchbricht die Ruhe. Kein Wunder, der berühmteste Shinto-Tempel Tokyos zieht täglich Tausende Besucher an.

Abends geht es in das quirlige Viertel Akihabara. Videospiele, Figuren, Sammelkarten und blinkende Bildschirme – überall gibt es hier Merchandise von Mangas und Animes. Ein Geschäft verkauft ein äußerst merkwürdiges T-Shirt. Darauf zu sehen: Japans Premierminister Shigeru Ishiba, Wladimir Putin, Kim Jong-un, Donald Trump und Angela Merkel. Definitiv eine wilde Kombination. Ob der Verkäufer überhaupt alle Gesichter benennen kann? Ich bin mir da nicht so sicher.

Etwa eineinhalb Stunden südlich der Innenstadt Tokyos liegt die kleine Insel Enoshima. Strand, Sonne, Möwen, Meeresluft – sofort bin ich im Urlaubsmodus. Die Wege über den Inselrücken schlängeln sich durch alte Pinien, vorbei an Schreinen und Aussichtsplattformen bis hin zu den Iwaya-Höhlen, wo einst Mönche in Meditationen Zuflucht fanden.

Laut einer Legende lebte in den Höhlen einst ein Drache, der die Bewohner der Insel terrorisierte. Um den Menschen zu helfen, erschien die Göttin Benzaiten und der Drache verliebte sich sofort in sie. Benzaiten stellte ihn vor eine Entscheidung: Er müsse sein böses Verhalten aufgeben, sonst würde sie ihn für immer abweisen. Der Drache gelobte Besserung und tatsächlich änderte er sein Verhalten, doch seine Liebe blieb unerwidert. Benzaiten blieb auf Enoshima und segnete das Land, während der Drache reumütig in den Bergen verschwand. Zahlreiche Schreine auf der Insel ehren sie dafür.

Zurück in der Metropole darf ein Spaziergang durch die Gärten des Kaiserpalasts natürlich nicht fehlen. Die Hektik der Großstadt bleibt hinter den hohen Toren, die das weitläufige Areal umschließen, zurück. Direkt daneben liegt das Nationalmuseum moderner Kunst. Darin zu sehen sind Gemälde, Drucke, Fotografien, Skulpturen, Videos, Zeichnungen und Kalligraphie vorrangig japanischer Künstlerinnen und Künstler.

Am letzten Abend nimmt uns Ai, eine Freundin einer Freundin, die hier in Tokyo lebt, mit zum Karaoke. Anders als in Deutschland singt man Karaoke in Japan meistens in privaten, schalldichten Räumen, die pro Stunde gemietet werden und dazu Snacks, Getränke und eine Touchscreen-Steuerung bieten. Wir schmettern ABBA, Nena und Lady Gaga, lachen viel, trinken Bier und ziehen weiter in ein Restaurant um die Ecke. Dort gibt es das typische tokyoter Gericht Monjayaki.

Die Basis besteht aus einer Mischung aus Mehl, Wasser und Dashi-Brühe, die mit feingehacktem Gemüse, Meeresfrüchten oder Fleisch angereichert wird. Auf einer heißen Eisenplatte in der Mitte des Tischs brät man die festen Zutaten an und gießt dann dünnflüssigen Teig dazu. Mit kleinen Spachteln wird alles verrührt, bis eine leicht knusprige Kruste entsteht. Gegessen wird direkt von der Platte – mit Mini-Spachteln. Ein würdiger Abschluss für die Japanreise. Am nächsten Tag hebt das Flugzeug in Richtung Seoul ab – und ein neues Kapitel beginnt.
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