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Das Leid Kambodschas

Ein gewöhnlicher Reisebus bringt uns von Ho-Chi-Minh-Stadt innerhalb von rund neun Stunden in die Hauptstadt Kambodschas – nach Phnom Penh. Durch ein vorab beantragtes E-Visum verläuft der Grenzübertritt problemlos. An der Grenze werden wir aus dem Bus gescheucht, laufen zu Fuß durch das Areal, erhalten einen Stempel und steigen wieder ein. In Phnom Penh angekommen, fällt eines direkt auf: Es gibt weniger Motorroller, dafür umso mehr große Autos und Tuk-Tuks.



Außerdem ist der US-Dollar hier neben dem Kambodschanischen Riel eine vollständig anerkannte Währung und wird sogar von den Geldautomaten ausgespuckt. Wir checken in unser Hostel ein – diesmal mit Pool – und bereiten uns per Dokumentation gedanklich auf das schwierige Thema des nächsten Tages vor. Denn Kambodscha erlebte vor gerade einmal 50 Jahren das dunkelste Kapitel seiner Geschichte. Unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer wurden zwischen 1975 und 1979 rund ein Viertel aller Kambodschaner ermordet. Sie verhungerten, arbeiteten sich zu Tode oder wurden brutal hingerichtet. Wie es dazu kam?


Die Geschichte der Roten Khmer und ihres Anführers Pol Pot beginnt in den 1960er-Jahren. Damals formierte sich die Bewegung aus kommunistischen Guerillagruppen, die den Sturz der Regierung und eine Rückkehr zu einer bäuerlichen Gesellschaft anstrebten. Nach Jahren des Bürgerkriegs, in dem auch der Vietnamkrieg Kambodscha ins Chaos riss, eroberten sie 1975 die Hauptstadt Phnom Penh. Die Menschen jubelten zunächst, weil sie glaubten, der Krieg sei vorbei. Doch nur Stunden später wurden sie aus ihren Häusern getrieben und zu Fuß aufs Land geschickt. Die ganze Stadt wurde geräumt.


Karte der erzwungenen Umsiedlungen der Bevölkerung von den Städten aufs Land.
Karte der erzwungenen Umsiedlungen der Bevölkerung von den Städten aufs Land.

Pol Pot nannte das neue Zeitalter „Jahr Null“. Geld, Religion, Bildung und Individualität wurden abgeschafft, Tempel, Schulen und Banken angefackelt. Das Land sollte zu einer riesigen Agrarkooperative werden, in der vor allem Reis für den Export angebaut wurde. Wer lesen konnte, Fremdsprachen sprach oder auch nur eine Brille trug, galt als potenziell gefährlich und als Feind. Lehrer, Mönche, Ärzte und Künstler wurden samt ihren Familien versklavt oder direkt ermordet. Inhaftierungen, Folter und Hinrichtungen gehörten zum grausamen Alltag eines Staates, der seine Bürger vernichten wollte, um sie neu zu erschaffen.


Im Tuol-Sleng-Gefängnis S21 im Herzen Phnom Penhs ist dieser Wahnsinn bis heute greifbar. Wir besuchen den Ort im Rahmen einer Tour und verbringen mehrere Stunden dort. In engen Zellen hängen Porträts der Gefangenen, die hier vor ihrem Tod fotografiert wurden.


Portäts inhaftierter Kinder im Tuol-Sleng-Gefängnis S21.
Portäts inhaftierter Kinder im Tuol-Sleng-Gefängnis S21.

Männer, Frauen, Kinder, deren Gesichter zwischen Angst und Fassungslosigkeit erstarren. Eiserne Betten mit rostigen Ketten stehen noch immer in den Räumen, daneben Fotos, die zeigen, wie sie gefunden wurden, als die Vietnamesen 1979 das Gefängnis befreiten. Darauf zu sehen sind leblose Körper, verstümmelt, von Blut befleckt, dem Tod nah. Nur zwölf der mehr als 14.000 Gefangenen überlebten.


Auf eisernen Betten wurden die Gefangenen gefoltert.
Auf eisernen Betten wurden die Gefangenen gefoltert.

Die Tour führt uns auch zu einem der sogenannten Killing Fields. Einige Kilometer außerhalb der Stadt war Choeung Ek einer von vielen Orten, an denen angebliche Feinde des Regimes mit Macheten, Äxten oder anderen einfachen Waffen hingerichtet und in riesigen Massengräbern verscharrt wurden. Zwischen Bäumen und kleinen Teichen stehen Gedenktafeln, die beschreiben, was hier geschah. Im Boden werden bis heute immer wieder Knochen- und Kleidungsreste gefunden, die der Regen an die Oberfläche spült. Im Zentrum erhebt sich eine Gedenkstupa aus Glas, gefüllt mit hunderten Schädeln. Sie sind der Beweis für die Taten der Roten Khmer.


Die Schädel in der Gedenkstupa.
Die Schädel in der Gedenkstupa.

Zwischen 1,5 und 2 Millionen Menschen kamen während der Herrschaft der Roten Khmer ums Leben. Sie wollten ein Paradies erschaffen und hinterließen ein Land aus Waisen und Leichenfeldern. Als wir die Gedenkstätte verlassen, scheint die Sonne auf Phnom Penh herab. Es ist ein schöner Tag, aber das Thema wiegt schwer.


Heute, knapp 50 Jahre später, ist Phnom Penh eine laute, lebendige Metropole. Von einem Ort zum anderen kommt man am besten mit dem Tuk-Tuk. Für ein bis drei Euro fährt es einen quer durch die Stadt. Besonders empfehlen kann ich den Nachtmarkt, wo es Streetfood für jeden Geschmack gibt. Ich probiere frittierte Grille und ein Spinnenbein. Beides schmeckt recht scharf nach der gewürzten Panade. Aber nicht eklig.


Phnom Penh bei Nacht.
Phnom Penh bei Nacht.

Den Königspalast sehen wir nur von außen, aber er soll mit seinen zahlreichen Gebäuden, Höfen und Gärten sehr eindrucksvoll sein. Wir kommen während einer Free-Walking-Tour daran vorbei. Eine solche Stadtführung mit lokalem Guide ist ohnehin immer lohnenswert. Auf eigene Faust erkunden wir die Mongkol-Serei-Kien-Khleang-Pagode und haben Glück, dass sich gerade Buddhistinnen und Buddhisten zum Gebet versammelten. Mit etwas Abstand können wir ihnen lauschen.


Die Mongkol-Serei-Kien-Khleang-Pagode erstrahlt in gold.
Die Mongkol-Serei-Kien-Khleang-Pagode erstrahlt in gold.

Am letzten Abend folgen wir noch einer persönlichen Empfehlung unseres Guides und landen zusammen bei einem Kickbox-Event auf der Zuschauertribüne.


Beim Kickbox-Event fliegen die Fetzen.
Beim Kickbox-Event fliegen die Fetzen.

In fünf Kämpfen treten Sportler aus Kambodscha, Thailand, Malaysia und China gegeneinander an. Ein echtes Spektakel und überraschenderweise sogar kostenlos.



 
 
 

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